1. Widmung
Author(s): Friedrich Rückert Du meine Seele, du mein Herz,
Du meine Wonn', o du mein Schmerz,
Du meine Welt, in der ich lebe,
Mein Himmel du, darein ich schwebe,
O du mein Grab, in das hinab
Ich ewig meinen Kummer gab.
Du bist die Ruh, du bist der Frieden,
Du bist vom Himmel mir beschieden.
Daß du mich liebst, macht mich mir wert,
Dein Blick hat mich vor mir verklärt,
Du hebst mich liebend über mich,
Mein guter Geist, mein beßres Ich!
3. Der Nußbaum
Author(s): Julius Mosen Es grünet ein Nußbaum vor dem Haus,
Duftig,
Luftig
Breitet er blättrig die Blätter aus.
Viel liebliche Blüten stehen dran;
Linde
Winde
Kommen, sie herzlich zu umfahn.
Es flüstern je zwei zu zwei gepaart,
Neigend,
Beugend
Zierlich zum Kusse die Häuptchen zart.
Sie flüstern von einem Mägdlein,
Das dächte
die Nächte
und Tagelang, wusste, ach! selber nicht was.
Sie flüstern - wer mag verstehn so gar
Leise
Weis -
Flüstern von Bräut'gam und nächstem Jahr.
Das Mägdlein horchet, es rauscht im Baum;
Sehnend,
Wähnend
Sinkt es lächelnd in Schlaf und Traum.
4. Jemand
Author(s): Wilhelm Gerhard, Robert Burns Mein Herz ist betrübt, ich sag' es nicht,
mein Herz ist betrübt um jemand;
ich könnte wachen die längste Nacht,
und immer träumen von jemand.
O Wonne! Von jemand; o Himmel! Von jemand;
durchstreifen könnt' ich die ganze Welt,
aus Liebe zu jemand.
Ihr Mächte, die ihr der Liebe hold,
o lächelt freundlich auf jemand!
Beschirmet ihn, wo Gefahren droh'n;
gebt sicher Geleite dem jemand!
O Wonne! dem jemand; o Himmel! dem jemand;
Ich wollt', ich wollte, was wollt' ich nicht
für meinen jemand!
6. Setze mir nicht, du Grobian
Author(s): Johann Wolfgang von Goethe Setze mir nicht, du Grobian,
Mir den Krug so derb vor die Nase!
Wer mir Wein bringt, sehe mich freundlich an,
Sonst trübt sich der Eilfer im Glase.
Du lieblicher Knabe, du komm herein,
Was stehst du denn da auf der Schwelle?
Du sollst mir künftig der Schenke sein,
Jeder Wein ist schmackhaft und helle.
8. Talismane
Author(s): Johann Wolfgang von Goethe Gottes ist der Orient!
Gottes ist der Okzident!
Nord und südliches Gelände
Ruht im Frieden seiner Hände.
Er, der einzige Gerechte,
Will für jedermann das Rechte.
Sei von seinen hundert Namen
Dieser hochgelobet! Amen.
Mich verwirren will das Irren;
Doch du weißt mich zu entwirren,
Wenn ich wandle, wenn ich dichte,
Gib du meinem Weg die Richte!
9. Lied der Suleika
Author(s): Johann Wolfgang von Goethe, Marianne von Willemer Wie mit innigstem Behagen,
Lied, empfind' ich deinen Sinn,
Liebevoll du scheinst zu sagen,
Daß ich ihm zur Seite bin;
Daß er ewig mein gedenket,
Seiner Liebe Seligkeit,
Immerdar der Fernen schenket,
Die ein Leben ihm geweiht.
Ja, mein Herz es ist der Spiegel,
Freund, worin du dich erblickst,
Diese Brust, wo deine Siegel
Kuß auf Kuss hereingedrückt.
Süßes Dichten, lauter Wahrheit,
Fesselt mich in Sympathie,
Rein verkörpert Liebesklarheit
Im Gewand der Poesie!
10. Die Hochländer-Witwe
Author(s): Wilhelm Gerhard, Robert Burns Ich bin gekommen ins Niederland,
o weh!
So ausgeplündert haben sie mich,
daß ich vor Hunger vergeh!
So war's in meinem Hochland nicht;
o weh!
Ein hochbeglückter Weib, als ich,
war nicht auf Tal und Höh!
Denn damals hatt' ich zwanzig Küh';
o weh!
Die gaben Milch und Butter mir,
und weideten im Klee.
Und sechzig Schafe hatt' ich dort;
o weh!
Die wärmten mich mit weichem Fliess
bei Frost und Winterschnee.
Es konnte kein' im ganzen Clan
sich grössern Glückes freu'n;
denn Donald war der schönste Mann,
und Donald, der war mein!
So blieb's, so blieb's, bis Charlie Stuart kam,
Alt-Schottland zu befrei'n;
da mußte Donald seinen Arm ihm
und dem Lande leih'n.
Was sie befiel, wer weiß es nicht?
Dem Unrecht wich das Recht,
und auf Cullodens blut'gem Feld
erlagen Herr und Knecht.
O! Daß ich kam ins Niederland!
o weh!
Nun gibt's kein unglücksel'ger Weib
vom Hochland bis zur See!
11. Lied der Braut I
Author(s): Friedrich Rückert Mutter, Mutter glaube nicht,
weil ich ihn lieb' all so sehr,
daß nun Liebe mir gebricht,
dich zu lieben, wie vorher.
Mutter, Mutter! seit ich ihn liebe
lieb' ich erst dich sehr.
Laß mich an mein Herz dich zieh'n,
und dich küssen, wie mich er!
Mutter, Mutter! seit ich ihn liebe,
lieb' ich erst dich ganz,
daß du mir das Sein verlieh'n,
das mir ward zu solchem Glanz.
13. Hochländers Abschied
Author(s): Wilhelm Gerhard, Robert Burns Mein Herz ist im Hochland,
Mein Herz ist nicht hier;
Mein Herz ist im Hochland
Im Waldes Revier;
Dort jagt es den Hirsch
Und verfolget das Reh;
Mein Herz ist im Hochland,
Wohin ich auch geh!
Leb' wohl, mein Hochland,
Mein heimischer Ort!
Die Wiege der Freiheit,
Des Mutes ist dort.
Wohin ich auch wandre,
Wo immer ich bin:
Auf die Berg', auf die Berge
Zieht es mich hin.
Lebt wohl, ihr Berge,
Bedecket mit Schnee!
Lebt wohl, ihr Täler,
Voll Blumen und Klee!
Lebt wohl, ihr Wälder,
Bemoostes Gestein,
Ihr stürzenden Bächlein
Im farbigen Schein!
14. Hochländisches Wiegenlied
Author(s): Wilhelm Gerhard, Robert Burns Schlafe, süßer, kleiner Donald,
Ebenbild des großen Ronald!
Wer ihm kleinen Dieb gebar,
weiß der edle Clan aufs Haar.
Schelm, hast Äuglein schwarz wie Kohlen!
Wenn du groß bist, stiehl ein Fohlen;
geh' die Eb'ne ab und zu,
bringe heim 'ne Carlisle Kuh!
Darfst in Niederland nicht fehlen;
dort, mein Bübchen, magst du stehlen;
stiehl dir Geld und stiehl dir Glück,
und ins Hochland komm zurück!
15. Mein Herz ist schwer Aus den hebräischen Gesängen
Author(s): (Karl) Theodor Körner, George Gordon Noel Byron, Lord Byron Mein Herz ist schwer! Auf! Von der Wand die Laute,-
Nur sie allein mag ich noch hören,
Entlocke mit geschickter Hand
Ihr Töne, die das Herz betören.
Kann noch mein Herz ein Hoffen nähren,
Es zaubert diese Töne her,
Und birgt mein trocknes Auge Zähren,
Sie fließen, und mich brennt's nicht mehr!
Nur tief sei, wild der Töne Fluß,
Und von der Freude weggekehret!
Ja, Sänger, daß ich weinen muß,
Sonst wird das schwere Herz verzehret!
Denn sieh! Von Kummer ward's genähret,
Mit stummen Wachen trug es lang,
Und jetzt vom Äußersten belehret,
Da brech es oder heil im Sang.
16. Rätsel
Author(s): Karl Friedrich Ludwig Kannegießer, Catherine Maria Fanshawe Es flüstert's der Himmel, es murrt es die Hölle,
Nur schwach klingt's nach in des Echos Welle,
Und kommt es zur Fluth, so wird es stumm,
Auf den Höhn, da hörst du sein zwiefach Gesumm.
Das Schlachtengewühl liebt's, fliehet den Frieden,
Es ist nicht Männern noch Frauen beschieden,
Doch jeglichem Thier, nur mußt du's sezieren,
Nicht ist's in der Poesie zu erspüren,
Die Wissenschaft hat es, vor allem sie,
Die Gottesgelahrtheit und Philosophie.
Bei den Helden führt es den Vorsitz immer,
Doch mangelt's den Schwachen auch innerlich nimmer,
Es findet sich richtig in jedem Haus,
Denn ließe man's fehlen, so wär es aus.
In Griechenland klein, an des Thiber Borden
Ist's größer, am größten in Deutschland geworden.
Im Schatten birgt's sich, im Blümchen auch.
Du hauchst es täglich, es ist nur ein (was ist's?).
17. Venetianische Lied I
Author(s): Ferdinand Freiligrath, Thomas Moore Leis' rudern hier,
mein Gondolier,
Leis', leis'!
Die Flut vom Ruder sprühn so leise.
Laß, daß sie uns nur
Vernimmt, zu der wir zieh'n!
O könnte, wie er schauen kann,
Der Himmel redentraun,
Er spräche vieles wohl von dem,
Was Nachts die Sterne schau'n!
Leis'!
Nun rasten hier,
Mein Gondolier,
Sacht, sacht!
Ins Boot die Ruder! sacht!
Auf zum Balkone schwing' ich mich,
doch du hältst unten Wacht,
O wollten halb so eifrig nur
dem Himmel wir uns weih'n,
als schöner Weiber Diensten trau'n,
wir könnten Engel sein! Sacht!
18. Venetianische Lied II
Author(s): Ferdinand Freiligrath, Thomas Moore Wenn durch die Piazetta
die Abendluft weht,
dann weißt du, Ninetta,
Wer wartend hier steht.
Du weißt, wer trotz Schleier
und Maske dich kennt,
Wie Amor die Venus
am Nachtfirmament
Ein Schifferkleid trag' ich
zur selbigen Zeit,
und zitternd dir sag' ich:
das Boot liegt bereit!
O komm, wo den Mond noch Wolken umzieh'n,
laß durch die Lagunen,
mein Leben, uns flieh'n!
20. Weit, weit
Author(s): Wilhelm Gerhard, Robert Burns Wie kann ich froh und munter sein
und flink mich dreh'n bei meinem Leid?
Der schmucke Junge, der mich liebt,
ist über die Berge weit, weit!
Was kümmert mich des Winters Frost,
und ob es draußen stürmt und schneit?
Im Auge blinkt die Träne mir,
denk' ich an ihn, der weit, weit!
Er hat die Handschuh' mir geschenkt,
das bunte Tuch, das seid'ne Kleid;
doch er, dem ich's zur Ehre trag',
ist über die Berge weit, weit!
21. Was will die einsame Träne
Author(s): Heinrich Heine Was will die einsame Träne?
Sie trübt mir ja den Blick.
Sie blieb aus alten Zeiten
In meinem Auge zurück.
Sie hatte viel leuchtende Schwestern,
Die alle zerflossen sind,
Mit meinen Qualen und Freuden
Zerflossen in Nacht und Wind.
Wie Nebel sind auch zerflossen
Die blauen Sternelein,
Die mir jene Freuden und Qualen
Gelächelt ins Herz hinein.
Ach, meine Liebe selber
Zerfloß wie eitel Hauch!
Du alte, einsame Träne,
Zerfließe jetzunder auch!
22. Niemand
Author(s): Wilhelm Gerhard, Robert Burns Ich hab' mein Weib allein,
Und teil' es, traun, mit niemand;
Nicht Hahnrei will ich sein,
Zum Hahnrei mach' ich niemand.
Ein Säckchen Gold ist mein,
Doch dafür dank' ich niemand;
Nichts hab' ich zu verleihn,
Und borgen soll mir niemand.
Ich bin nicht andrer Herr,
Und untertänig niemand;
Doch meine Klinge sticht,
Ich fürchte mich vor niemand.
Ein lust'ger Kauz bin ich,
Kopfhängerisch mit niemand;
Schiert niemand sich um mich,
So scher' ich mich um niemand.
23. Im Westen
Author(s): Wilhelm Gerhard, Robert Burns Ich schau' über Forth hinüber nach Nord:
was helfen mir Nord und Hochlands Schnee?
Was Osten und Süd, wo die Sonne glüht,
das ferne Land und die wilde See?
Aus Westen winkt, wo die Sonne sinkt,
was mich im Schlummer und Traume beglückt;
im Westen wohnt, der mir Liebe lohnt,
mich und mein Kindlein ans Herz gedrückt.
25. Aus den östlichen Rosen
Author(s): Friedrich Rückert Ich sende einen Gruß wie Duft der Rosen,
Ich send' ihn an ein Rosenangesicht.
Ich sende einen Gruß wie Frühlingskosen,
Ich send' ihn an ein Aug voll Frühlingslicht.
Aus Schmerzensstürmen, die mein Herz durchtosen,
Send' ich den Hauch, dich unsanft rühr' er nicht!
Wenn du gedenkest an den Freudelosen,
So wird der Himmel meiner Nächte licht.
26. Zum Schluß
Author(s): Friedrich Rückert Hier in diesen erdbeklommnen Lüften,
Wo die Wehmut taut,
Hab ich dir den unvollkommnen Kranz geflochten,
Schwester, Braut!
Wenn uns, droben aufgenommen,
Gottes Sohn entgegenschaut,
Wird die Liebe den vollkommnen Kranz uns flechten,
Schwester, Braut!